ADOLF EICHMANN: Ein Hörpozess

Von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman

Rundfunk Berlin Brandenburg

Regie: Noam Brusilovsky

Deutscher Hörspielpreis ARD 2021

Eichmann

Israel, 11. April 1961: Vor dem Jerusalemer Bezirksgericht beginnt der Prozess gegen Adolf Eichmann, den Organisator der Deportationen der Europäischen Juden in die Konzentrations- und Vernichtungslager. Ein Novum: der Prozess gegen den NS-Kriegsverbrecher wird im Radio übertragen und so in allen Haushalte Israels gehört. Das Hörspiel erzählt, wie es dazu kam, und gibt in O-Tönen und bisher unveröffentlichten Dokumenten auch den Hörerinnen und Hörern von damals, Zeitzeugen und Nachgeborenen eine Stimme.

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BESETZUNG
Walter Kreye
Dirk Müller
Veit Schubert
Shelly Kupferberg
Axel Sichrovsky
Vernesa Berbo
Ramona Olasz
Aviran Edri
Orit Nahmias
Benny Claessens
Rainer Sellien
Jaron Löwenberg,
Yeva Lapsker
Helene Voigt
Guy und Tamar Aviad

REGIE
Noam Brusilovsky

DRAMATURGIE
Juliane Schmidt

BESETZUNGREGIEDRAMATURGIE
Walter KreyeNoam BrusilovskyJuliane Schmidt
Dirk Müller
Veit Schubert
Shelly Kupferberg
Axel Sichrovsky
Vernesa Berbo
Ramona Olasz
Aviran Edri
Orit Nahmias
Benny Claessens
Rainer Sellien
Jaron Löwenberg,
Yeva Lapsker
Helene Voigt
Guy und Tamar Aviad

Dieses Hörspiel erhielt den Deutschen Hörspielpreis der ARD 2021. So begründete die Jury ihre Entscheidung:
 
„Adolf Eichmann: Ein Hörprozess“ von Noam Brusilovsky und Ofer Waldman ist ein beeindruckend tiefgründiges Hörspiel, das einen mit zunehmender Bewunderung erfüllt, je öfter man es gehört hat. Formaler Gegenstand des Hörspiels ist der berühmte Prozess, der zwischen April und Dezember 1961 in Jerusalem Adolf Eichmann für seine Verbrechen gegen das jüdische Volk gemacht und der vom öffentlich-rechtlichen Radiosender Kol Israel live übertragen wurde.

Die besondere Leistung dieses dokumentarischen O-Ton Hörspiels besteht darin, dass es sich nicht auf die Person Eichmann fixiert, sondern stattdessen die Bedeutung dieses Prozesses für die junge israelische Gesellschaft und die Rolle, die dabei das Radio spielte, eindrücklich aufzeigt und verhandelt. Das Hörspiel arbeitet kunstvoll mit den genuinen radiophonen Mitteln der Prozess-O-Töne, der Stimmen der Hörer*innen und des Jingels von Kol Israel.

Das Hörspiel, das zum 60. Jahrestag des Prozessbeginns urgesendet wurde, wird gerahmt von den Erinnerungen des Leiters der Nachrichtenabteilung und inszenierten Szenen der Familie Lifschitz am Abendbrottisch. In Israel und der ganzen Welt versammelten sich die Menschen vor ihren Radiogeräten, um zu hören wie nicht nur Eichmann, sondern dem Nationalsozialismus der Prozess gemacht wurde. Viele überlebende Zeug*innen der Shoah erhielten damals das erste Mal eine öffentliche Stimme, ihnen wurde endlich zugehört und geglaubt.

Durch ihre Auswahl und dramaturgische Gestaltung der Prozessberichterstattung im Radio und ihrer Rezeption bringen uns die Macher eine junge demokratische Gesellschaft in intensiver Diskussion um das Schicksal der Juden und die Gegenwart und Zukunft des Staates Israel nahe. So wird zugleich einem radikalen Gegenentwurf eines demokratischen Radios zum gleichgeschalteten Propagandainstrument der Nationalsozialisten ein akustisches Denkmal gesetzt.

Die Essenz des Hörspiels spiegelt sich für uns in dem berühmten Zitat des Auschwitz-Überlebenden und Psychotherapeuten Viktor Frankl: „… trotzdem Ja zum Leben sagen.“ Für diese großartige Leistung an Substanz und Tiefe verbeugen wir uns voller Überzeugung vor den Machern des besten Hörspiels 2021.

Dieses Hörspiel war im Rennen für den Hörspielpreis der Kriegsblinden für Radiokunst und hat es zur Shortlist geschafft. So beschrieb die Jury das Stück:

„Ein Stoff wie fürs Kulturradio erfunden: Denn welches andere Medium bringt in seinem Programm und in seinen Kunstformen die Zeitebenen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft derart wirkungsvoll zusammen?
Die Forschung engagierter Autor:innen findet etwa Vergessenes in den Archiven, stellt es wieder in den Fokus der Aufmerksamkeit und verankert es durch künstlerische, emotionale und reflektierende Gestaltung als Wissen im Bewusstsein der Hörer:in.
'Adolf Eichmann: Ein Hörprozess' von Noam Brusilovsky und Ofer Waldmann betreibt auf eine Weise Medienarchäologie, die mit den Mitteln der Radiokunst spricht. Mit spielerischer Leichtigkeit birgt das Stück ein lange zurückliegendes mediales Ereignis und macht es unmittelbar erfahrbar.
Es ist 1961, der Kriegsverbrecher Adolf Eichmann steht vor dem Jerusalemer Bezirksgericht, wo ihm der Prozess gemacht wird. Dieser Prozess wird abendlich durch die Israel Public Broadcasting Corporation übertragen und das ist ein Ereignis von ungeheurer nationaler und internationaler Tragweite. Erstmals wird der Horror der Vernichtungsmaschinerie in allen Details öffentlich gemacht. Und zwar zur Primetime.
Die Übertragung der Gerichtsverhandlung wurde zu einer Art Nation Building des israelischen Einwandererstaates, wie eine Flut unterschiedlicher Reaktionen der Hörer:innen eindrucksvoll belegt. Diese Fülle von O-Tonaufnahmen und gedruckten Dokumenten wie Briefe von Hörer:innen bilden eine Textbasis des Hörspiels, dem das Autorenteam fiktive Familienszenen hinzufügt, die uns zur Abendessenszeit in die israelische Gesellschaft der Sechzigerjahre versetzt.
Dies ergibt eine produktive Vermischung von Zeit- und Erzählebenen, die uns als Jury beeindruckte, gerade weil sie vielperspektivisch, leicht und detailreich einen neuen Weg findet, die Aussagen der Zeitzeug:innen der Judenvernichtung lebendig zu halten.
Die sparsam eingesetzten O-Tonaufnahmen der Aussagen Adolf Eichmanns überlassen es der Hörer:in diesen Mann zu beurteilen: Ob er nun ein 'Monstrum' war oder ein 'Hanswurst' oder eben eine Mischung aus beidem.
Die Audiodokumente des israelischen Rundfunks waren in Deutschland nie vollständig zu hören, und auch dieses Hörspiel bringt sie verständlicherweise ’nur' in Ausschnitten.
Doch die hier gewählte Mischform aus Dokument und Fiktion, aus emotionsgesättigter Information und informierter Emotion, wird sich im Idealfall fest in unserem kollektiven Gedächtnis ablagern.“

Axel Sichrovsky
axel.sichrovsky@gmail.com