REIGEN

Zehn Dialoge von Arthur Schnitzler

Stadttheater Klagenfurt Oktober 2021

REGIE: Miloš Lolić 

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Erstaunlich, wie dieses Meisterwerk der Moderne das Prinzip Tinder, Parship und Co. vorwegnimmt – Zentralorgane der Wiederholbarkeit des Unwiederholbaren im 21. Jahrhundert. Geschrieben schon 1896/97, uraufgeführt 1920 in Berlin und danach 60 Jahre gesperrt, überführt Schnitzlers Reigen die große Unordnung zwischen Menschen, das gestörte Gleichgewicht von Liebe und Sex, in ein szenisches Rondo, das nichts von seiner Kühnheit und Schärfe, seinem Witz, seiner exakten Diagnose der Störungen in der zwischenmenschlichen Kommunikation eingebüßt hat. Die »Wahrheit«, die in der einen Szene gesagt wird, entpuppt sich in der nächsten schon als Lüge, das im Dialog, in den Körpern Verheißene gibt es nur als Erwartung, die Gedankenstriche, die Kopulation, in die Sprache jedes mal aufs Neue abstürzt: die große Vergeblichkeit.

Mit Reigen debütiert der mehrfach ausgezeichnete serbische Regisseur Miloš Lolić, der mit aufregenden Deutungen von Stücken von Robert Musil, Peter Handke, Wolfgang Bauer oder Werner Schwab erfolgreich ist und u.a. in Wien, München, Basel und Frankfurt inszeniert, in Klagenfurt.

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BESETZUNG
Hanna Binder
Johannes Meier
Petra Morzé
Felix Oitzinger
Nadine Quittner
Tim Grobe
Alina Fritsch
Thomas Frank
Heike Kretschmer
Axel Sichrovsky  

REGIE
Miloš Lolić

CHOREOGRAPHIE
Jasmin Avissar

BÜHNE
Diego De Ramón Sánchez

KOSTÜME
Jelena Miletić

MUSIK
Nevena Glusica

DRAMATURGIE
Hans Mrak

BESETZUNGREGIECHOREOGRAPHIEBÜHNEKOSTÜMEDRAMATURGIE
Hanna BinderMiloš LolićJasmin AvissarDiego De Ramón SánchezJelena MiletićHans Mrak
Johannes Meier
Petra Morzé
Felix Oitzinger
Nadine Quittner
Tim Grobe
Alina Fritsch
Thomas Frank
Heike Kretschmer
Axel Sichrovsky

PRESSE

KRONEN ZEITUNG  9.10.2021

von Tina Perisutti

Die eindringliche Inszenierung von Miloš Lolić lässt (…) zehn Figuren unterschiedlichen Standes erotisierend über die Bühne tanzen. Das Spiel mit dem Höhepunkt beherrscht der mehrfach ausgezeichnete Regisseur ideenreich wie humorvoll, indem er eine wonnehauchende Glückseligkeit über die Bühne hinaus ins Publikum strömen lässt. (…) In meisterhafter Körpersprache entwickelt das brillant spielende Ensemble eine Sogwirkung, die sich im Vor- und Nachspiel mit dem Dialog der nach Liebe Suchenden verschließt. Diese agieren mit sich selbst oder übereinander hinweg in die Zuseher hinein, wodurch diese in den Reigen gezogen werden. Die barocken bis futuristischen Kostüme von Jelena Miletić bekleiden die Suche nach ein klein wenig Liebe in exaltiert-elegantem Ausdruck. Nevena Glusica hebt emotionales Flackern vielschichtig auf musikalische Ebene. Manche im Publikum zeigen sich nach zwei sehenswerten „körperlichen“ Stunden höflich-reserviert, viele gehen lächelnd nach Hause.

APA  9.10.2021

von Karin Waldner-Petutschnig

Mit grandiosen Schauspielern zeichnen der serbische Regisseur Miloš Lolić und die israelische Choreografin Jasmin Avissar ein ernüchterndes Bild der Kommunikation zwischen den Geschlechtern. Ohne Blickkontakt und Berührungen gerät der Tanz um den Sex zum Kreisen um sich selbst.

STANDARD 11.10.2021

von Michael Cerha

 Nicht nur die Haut, der ganze Körper ist Kampfplatz der Neurosen. (…) Der junge Herr (Felix Oitzinger) leckt die eigene Hand anstelle jener des Stubenmädchens (Petra Morzé). Der Schriftsteller (Thomas Frank) reibt sich das Geschlecht, wenn die Schauspielerin (Heike Kretschmer) sich in Erregung redet. Der Graf (Axel Sichrovsky) kommt von vornherein so krumm daher, dass, den Kopf weit voraus, sein Unterleib vorneweg in die Gegend ragt. So zelebriert es das ganze, vortrefflich organisierte Ensemble. (…) Lolić hat einige seiner bewährtesten Kräfte mitgebracht, die sich wunderbar frei austoben. Diego De Ramon Sánchez gestaltet den Einheitsschauplatz als Labyrinth aus Taxushecken, zwischen denen steinerne Zeugen sinnlicherer Zeiten im Mondlicht baden. Nicht nur das Dunkel hilft, einander nicht sehen zu müssen – auch die skurrile Drapierung der Körper, die durch Schminke und Fantasiefrisuren verfremdet ist (Kostüme Jelena Miletić). Jasmin Avissars Choreografie führt jede Figur schließlich durch ihre eigene Einsamkeit. Gemäß dem Titel Reigen erscheint die Szenenfolge als Rundtanz, zu dem alle die Quintessenz ihrer Texte am Schluss auch noch singen (Musik Nevena Glusica).

KLEINE ZEITUNG  9.10.2021

von Marianne Fischer

Das Ensemble, von Jelena Miletić in punkig bis futuristisch anmutende Kostüme gesteckt, spielt hervorragend (…) Dass die knapp zwei Stunden recht kurzweilig bleiben, liegt aber auch an der Verrätselung der Inszenierung, die ständig dazu auffordert, die diversen Ebenen zu entschlüsseln – die herabschwebenden Leuchtsymbole, die künstlich-stilisierten Bewegungen (…), die ungewöhnlichen musikalischen Einlagen. Aber schließlich macht auch das einen herausfordernden Theaterabend aus: Wenn man über das, was man gesehen hat, noch länger nachdenken wird.

Axel Sichrovsky
axel.sichrovsky@gmail.com